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Sebastian Böthin

Softwareentwicklung

Domains in Zeiten des Internet

Ist eigentlich mal ein Science-Fiction-Autor auf die Idee gekommen, dass es einen milliardenschweren Markt für Maschinennamen geben könnte?

Wir sprechen heute von einer Domainindustrie, um Macht und Produktivität dieses ökonomischen Systems auszudrücken, dabei ist das industrielle Zeitalter doch längst virtualisiert. Wir haben heute Teile unserer intellektuellen Fähigkeiten in Maschinenwolken überführt, denen automatische Arbeiter innewohnen, die in einem sich irrsinnig steigernden globalen Diskurs Daten produzieren. Merkwürdigerweise ergibt sich aus dieser Tätigkeit ein monitärer Mehrwert, woraus schließlich die Maschinennamen, also die Wort-Nummer- oder Mensch-Maschine-Schnittstellen, selbst wiederum ihren Gegenwert beziehen.

Wie wir Menschen so sind, versuchen wir noch immer etwas hilflos zu verstehen, was wir da nun eigentlich wieder gebaut haben. Die Eisenbahn haben wir ja jetzt einigermaßen verstanden. Die fuhr von A nach B und transportierte Kartoffeln, Ideen, Kulturen und Revolutionen. Man maß noch Kraft in Pferdestärken, und fürchtete, eine Dampflok müsse schon allein aufgrund ihrer atemberaubenden Geschwindigkeit auseinanderbrechen. Viel mehr jedoch – und zu Recht – fürchteten die alten Könige um ihre Macht, denn die Maschinen transportierten insgeheim die Macht des Kapitals in alle Welt, jenes vielköpfige Ungeheuer, das andere, unsagbar schreckliche Monster gebar, bis die ganze mörderische Schwerindustrie beinahe die ganze Welt in Fetzen riss.

Immerhin, die Eisenbahn fuhr geradeaus. Nun sind wir aber offenbar ins Zeitalter der Netzwerke eingetreten und mit der Berechnung der nichtlinearen Dynamik nach wie vor überfordert. Wieder werden Ideen, Kulturen und Revolutionen in schwindelerregendem Tempo um die Welt gejagt, aber früher war doch irgendwie alles einfacher. Es fehlen noch geeignete Begriffe, aber man wird sich wohl vielfach über neue Regeln einigen müssen, denn vielleicht ist das Pferd als Kraftmaß für die Eisenbahn ähnlich ungeeignet wie die überkommene Regulierung des geistigen Eigentums in Zeiten von Youtube.

Der eigentliche Kampf jedoch geht weit über die Tantiemenfrage hinaus. Das Internet ist viel interessanter als die Eisenbahn. Hinter uns liegen zwei, drei Dekaden freies Internet, die gezeigt haben, zu was für einer fantastischen Entfaltung von Kreativität die Menschen fähig sind, wieviel sie wissen, erfinden, diskutieren und gestalten wollen, wenn man einfach so ein paar eilig in der Uni zusammengebastelte Protokolle ins Netz stellt und ein paar Endgeräte dazu verkauft.

Mittlerweile sind jedoch die Zyklopen erwacht, die nun argwöhnisch und verständnislos diese Spielwiese betrachten und immer lauter ihre Hoheitsrechte beanspruchen. Es werden eifrig Pläne geschmiedet und Regulationsmechanismen konstruiert. Es geht um Strafverfolgung, Landesverteidigung und Ähnliches, und da heiligt der Zweck alle Mittel, immer der alte Trick, da werden schon wieder mit jener unverschämten Fadenscheinigkeit Notwendigkeiten postuliert, mit der man schon ganze Kriege gerechtfertigt hat.

Tja, wer nichts zu verbergen hat, muss ja Kontrolle nicht fürchten. Aber falls von den Maximalforderungen, die derzeit bei der ICANN auf dem Tisch liegen, auch nur die Hälfte umgesetzt wird, wird zwar kein einziger Terrorist in seiner Tätigkeit eingeschränkt sein, dafür wird aber jeder Administrator beleumundet, jede Schnittstelle zertifiziert, jede Telefonnummer verifiziert und jedes Byte archiviert sein, was die Domainregistrierung und alle zugehörigen Dienstleistungen so teuer machen wird, dass weder Horst sich seine geliebte Homepage noch wir uns unsere geliebte Firma werden leisten können. Dieser Kampf findet genau jetzt statt.

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